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Ein Kinderspielzeug wird erwachsen

Es soll ja schon in den 20ern Wagemutige gegeben haben, die ihre Kufenkratzer aufrecht stehend zu Tal ritten. Eine andere Über- lieferung besagt, daß ein paar jugoslawische Bauernburschen in den 30ern die Hänge von Laibach absurften, indem sie sich quer auf ihre überbreiten Ski stellten. Eigentlich entstand Snowboarden aber aus der Langeweile zweier Kinder: Wendy (9) und Laurie (5) quengelten Weihnachten 1965 in einer Wohnung in Muskegon /Michigan herum, so daß ihr Vater Sherman Poppen nach einem Outdoor-Spielzeug für seine Plagegeister suchte. Nach ersten Rutschversuchen auf einzelnen - Skiern schraubte Poppen zwei Latten zusammen. Als die Kinder sich instinktiv quer zur Fahrt- richtung auf das Board stellten, erinnerte das Poppen ,an Wellen- reiten. Seine nächsten Prototypen waren Wasserski mit Fang- leinen, Fußschlaufen und teilweise sogar schon Stahlkanten. Dieses Gerät taufte er "Snurfer" und verkaufte im Winter 1966/67 die ersten Serienmodelle für 9,95 Dollar.
Eine dieser Sperrholzplanken gelangte in die Hände des 14jährigen Ostküstlers Jake Burton. Der begeisterte Wellenreiter gründete 1977 als 23jähriger nach bestandenem Wirtschaftsexamen seine eigene Firma in Vermont - Burton Snowboards. Seine ersten Boards waren schmal wie ein Monoski, aus brüchigem Sperrholz und hatten Winkeleisen als Steuerfinnen. Erst die zweite Burton-Generation, blaue Boards mit roter Aufschrift, waren aus 6fach verleimtem Ahornholz und besaßen verstellbare Gummi- schlaufen auf der rutschfesten Standfläche. Dimitrije Milovich, ein Ingenieur aus New York, entwickelte von 1969 an eine Schnee- planke aus Polyester. 1975 begann er dann mit der Serienproduk- tion seines "Winterstick", einer "High-Tech-Planke" mit geschäum- ten Kern, Fiberglaslaminat und P-Tex-Lauffläche. Die fisch- förmigen Boards mit tief eingeschnittenem Schwalbenschwanz- und langer Mittelfinne werden zum ersten Markenzeichen des neuen Sports. Trotz dieser wichtigen Weiterentwicklung muß Milovich 1984 wegen finanzieller Probleme aufgeben. Der Dritte im Bunde Pioniere war Skateboardweltmeister Tom Sims, damals schon als Surf- und Skateboardproduzent ein Star der Szene. 1975 tüftelte er zusammen mit dem Designer Chuck Barfoot an neuartigen Brettern aus Fiberglas her. Erst 1980 bewegten sich die beiden weg vom Surfboard-Konzept und experimentierten mit lamentierten Holzplanken. Nicht nur in den USA, auch in Deutsch- land brodelten die Entwicklungsküchen. Rudi Pröbstl aus Buchingen im Allgäu baute 1978 einen breiten Monoski aus PU-Schaum und Glasfaserlaminaten mit Stahlkanten und Rennbelag. Im Sauerland entwickelten die Brüder Strunk den skateboardähnlichen "Swingbo": Ein Holzdeck sitzt über einer Skateboardachse auf zwei kurzen Skiern. Doch als Anfang der 80er die Skateboardwelle nach Europa schwappte, konnten die Daniel Düsentriebs hier alle einpacken.
Inzwischen hat sich alles geändert: Statt Surfbrettern mit Schlaufen und Fangleine beherrschen heute High-Tech-Planken mit Carbon- fasern und Super-Softbindungen den Markt. Burton und Sims sind zu fahrenden Unternehmen im Snowboardmarkt aufgestiegen. Nur einer wollte zu Beginn der 90er noch einmal zurück zu den Anfängen: "The original Snowboard is back", verkündete Sherman Poppen und pries die Wiedergeburt seines "Snurfers" als preis- werte Alternative (knapp 60 Dollar) zu den teuren Shreddern. Der Vater des Snow-Boards hat eben immer noch ein Herz für Kinder.

Aus: "Jetzt" Nr.43 21.10.96

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